Diagonale 2017: Ein Film, der nicht zur Ruhe kommt

Die Diagonale 2017 ist Geschichte. Monika Willi vollendete im Eröffnungsfilm „Untitled“ die Vision des verstorbenen Dokumentaristen Michael Glawogger.

Samstagmittag im KIZ Royal: Draußen bricht der Frühling endlich an, die Sonne scheint herrlich und keine Wolke trübt den Himmel. Doch anstatt im Stadtpark Frisbee zu spielen, drängen sich Menschenmassen in die restlos ausverkaufte Vorstellung von „Untitled“ am Festival des Österreichischen Films. Dutzende kämpfen um die letzten Restkarten, viele müssen sich leerer Hände auf den Heimweg machen.

„Der schönste Film, den ich mir vorstellen kann, ist einer, der nie zur Ruhe kommt“

erzählt Michael Glawogger am Anfang des Dokumentarfilms, der aus Aufnahmen seiner vier Monate und 19 Tage langen Reise durch Italien, den Balkan, Nord- und Westafrika besteht. Viel zu früh starb der Grazer im April 2014 an Malaria. Posthum hat Monika Willi sich jener Mission verschrieben, die er nicht vollenden konnte: Eine Doku ohne Thema, geprägt nur von Bewegung. Als Text wurden Passagen aus Glawoggers Blogs hergenommen, die u. a. im „Standard“ veröffentlicht wurden. Nach dem Prinzip serendipity treibt der Film durch die Welt, auf der Suche nach glücklichen Zufällen und starken Bildern.

Attila Boa fängt mit seiner Kamera eine gnadenlos echte Perspektive ein, die im einen Moment schmerzt und im nächsten das Herz erweicht. Die Bewegung ist dabei das zentrale Element – seien es rustikale Lastenfahrzeuge mit aufgeladenen Tieren, die man einige Male zu sehen bekommt, Tänze auf den Straßen Sierra Leones oder der aufgescheuchte Vogelschwarm, der am Anfang und Ende des Films durch die Lüfte flattert. Auch Tieraufnahmen häufen sich. Manche entlocken dem Publikum ein kollektives „Ohhhh“, wie etwa ein tollpatischiger Welpe mit goldigem Fell in einem vom Erdbeben zerstörten Italienischen Haus; andere rufen Abscheu hervor, wie ein von Maden zerfressener Tierkadaver an der Straßenseite.

UNTITLED_018_RGB

Tiertransport im Balkan. (Foto: Lotus-Film)

Schließlich zeigt sich der Kontrast zwischen schön und hässlich, zwischen Hoffnung und Elend, auch in den Aufnahmen der Menschen. Einerseits stürzen sich Kinder in einer Geröllwüste auf einen Abfallberg; wühlen im Müll, um Brauchbares zu finden. Andererseits hat das Team um Glawogger ein ganz besonderes Fußballteam eingefangen: Im Bürgerkrieg haben die Männer aus Freetown einige Gliedmaßen verloren. Mit Krücken in den Händen jagen sie voller Enthusiasmus dem Fußball nach.

Wie Glawogger es wollte, kommt diese Doku nicht zur Ruhe – und natürlich auch das Publikum nicht. Eine Auflösung oder Erkenntnis bleibt der Film schuldig. Reale, eindrucksvolle Bilder, die hängen bleiben.