„Manon“ oder „Die Tragik einer Teenagerliebe“

Als letzte Oper der Saison präsentierten die Grazer die französische Manon von Jules Massenet. Unter der musikalischen Leitung von Dirk Kaftan waren neben dem Ensemble der Oper Graz die zwei jungen Stimmen von Julia Maria Dan und Abdellah Lasri in den Hauptrollen zu hören.

Manon (Julia Maria Dan) mit ihren Freundinnen (c) Werner Kmetitsch

Manon (Julia Maria Dan) mit ihren Freundinnen (c) Werner Kmetitsch

Schon in der Ouvertüre ist die aufgewühlte Gefühlswelt einer jungen Frau deutlich zu hören. Denn die Protagonistin Manon wird mit ihren Launen stets die Geschehnisse des Abends dominieren. Der Teenager wird von seinen Eltern ins Kloster geschickt, und macht auf dem Weg dorthin Halt bei seinem Cousin Lescaut. Sofort wird das hübsche Ding von allen Seiten bewundert, darunter auch der junge Chevalier des Grieux. Die Liebe auf den ersten Blick ist vorprogrammiert, die beiden fliehen, doch schon bald lässt sich die wechselhafte Manon von den Reichtümern eines anderen Mannes überzeugen und verlässt ihren Liebhaber. Doch auch mit ihren neuen Schätzen ist sie nicht zufrieden, gewinnt erneut Grieux zurück, treibt diesen fast in den Ruin und kommt schließlich vor Erschöpfung (wer wäre bei solchen Gefühlsexzessen nicht am Ende?) in den Armen ihres „Geliebten“ ums Leben.
Den Rahmen dieser an Teenager erinnernden Liebesgeschichte bildet in der Grazer Inszenierung von Elmar Goerden ein Flughafen. In der Ankunftshalle wird Manon erwartet und lernt ihre drei lüsternen Freundinnen kennen, die auf der Bühne zu flirtfreudigen Stewardessen geworden sind. Der junge Grieux wird zum Backpacker, der alte Galant Monsieur de Brétigny zum Kapitän und der Opernchor zu Flughafenpersonal und durchreisenden Passagieren. Eine gewagte Idee ist dies natürlich ohne Frage, aber auch eine gut durchdachte, denn bis zum vierten Bild kommt es zu keinen Unstimmigkeiten mit dem Libretto. Wieso sollte man sich nicht auf der Durchreise auf einem Flughafen kennenlernen, warum kann eine Einkaufszene von einem Markt nicht in einen Duty-free-Shop verlegt werden? Letztlich in den letzten Bildern im Kloster und Gefängnis hätte das Flughafenkonzept gerne erweitert werden können, um die Glaubhaftigkeit der Handlung zu gewährleisten.

Manon (Iulia Maria Dan) und Le chevalier Des Grieux (Abdellah Lasri) (c) Werner Kemtitsch

Manon (Iulia Maria Dan) und Le chevalier Des Grieux (Abdellah Lasri) (c) Werner Kemtitsch

Das durch die Inszenierung immer wieder aufkommende amüsierte Gelächter fügt sich gut zu den vielen gesprochenen Passagen der Oper. Die kurzen Dialoge sind nicht störend für den Fluss der Musik, der mit jedem neu erklingenden Ton sofort wieder zu spüren ist. Die französische Aussprache beherrschen die Darsteller durch die Bank sowohl beim Sprechen als auch in singender Weise. Das Werk bietet zudem eine Fülle an wundervoll lyrischen Arien, beginnend beim Träumen des jungen Liebespaares von einem gemeinsamen Leben in Paris bis hin zu Manons Tod. Julia Maria Dan ist für die Rolle der eigensinnigen, maßlosen und doch liebenswerten jungen Frau ideal besetzt. Mit keckem Spiel und einer wunderbar unverbrauchten Stimme gibt sie der Manon laute Höhen, aber auch empfindsame leise Klangfärbungen. Vor allem in der Arie Adieu, notre petite table gestaltet sie ihren Abschied vom Leben mit Grieux besonders mitfühlend und das, obwohl der besungene Tisch auf der Bühne fehlt. Als ihr männliches Pendant ist Abdellah Lasri zu hören, der schauspielerisch neben seiner quirligen Partnerin zwar etwas steif wirkt, gesanglich dafür aber mit warmem Tenor ebenso überzeugen kann. Auch die Nebenrollen sind etwa mit Ivan Oreščanin als Lescaut, Wilfried Zelinka als Grieux’ Vater und David McShane als de Brétigny glanzvoll besetzt. Der Opernchor und das Orchester unter Dirk Kaftan können nur gelobt werden, bescherten sie doch knappe drei sehr unterhaltsame Stunden mit vielen schwelgerischen Momenten.

Manon wird im Juni noch vier Mal gespielt – sich ein eigenes Bild zu machen, lohnt sich!
Mehr Informationen zur Oper unter:
http://www.oper-graz.com/stueck.php?id=20834

Einen Vorgeschmack bietet der Trailer: