Rock Me Amadeus Mustermann!

Er ist wieder da! Da staunt selbst der Compositeur Mozart, als er selbst, eben noch am eigenen Sterbebett, plötzlich putzmunter in einer Studenten-WG auftaucht. Ausgerechnet nach einer wilden Party. Und kann sich natürlich – zum Ärger der Bewohner – an nichts erinnern. In der von Alexander Medem inszenierten Bühnenfassung nach Eva Baronskys gleichnamigem Roman und Theaterstück „Herr Mozart wacht auf“ (2009) erwacht der ahnungslose Komponist wieder zum Leben und lässt die ZuseherInnen an seinen amüsanten Erlebnissen im Wien des 21. Jhdt. teilnehmen, ohne jedoch auf ernste Töne zu vergessen

(c) Lupi Spuma

Ja, das Paradies hat sich Mozart wahrlich anders vorgestellt, als er sich plötzlich in den Straßen des modernen Wiens wiederfindet, nachdem er von den Party-WG-Bewohnern erstmal vor die Tür gesetzt wurde. Einen ersten Anhaltspunkt findet er zunächst beim polnischen Straßenmusiker und späteren Weggefährten Pjotr, der ihm großzügig einen Platz in seiner bescheidenen Wohnung anbietet. Wiewohl der Komponist beteuert, der echte Mozart zu sein, nimmt ihm freilich niemand ab, woraufhin er sich Wolfgang Mustermann nennt. Durch die Musik nimmt Johannes Chrysostomus Wolfgangus Theophilus Moz… äh, pardon… Wolfgang Mustermann langsam Kontakt mit der ihm so fremden Welt auf und lernt in einer Bar die Sängerin Anju kennen und lieben. Er begeht den folgenschweren Fehler, Anju über seine wahre Identität aufklären zu wollen, die ihm daraufhin irritiert den Laufpass gibt. Am Ende des ersten Aktes, überfordert von der zu Beginn selbst betitelten „kommoden“ Welt, landet er schließlich mit der Diagnose „Persönlichkeitsstörung“ in der Psychiatrie. In seinem Wahn, das Requiem zu vollenden um in das Paradies zu gelangen, begreift der Komponist zunächst nicht, dass er nach seinem kurzen ersten Leben noch eine zweite Chance erhielt.

Das Ende des Theaterstücks weicht sehr stark von Eva Baronskys Roman ab. Während Mozart in der Vorlage das Requiem vollendet und die Reise ins 21. Jhdt. sich nur als Fiebertraum am Totenbett entpuppt, bietet das Next Liberty unter surrealen Musik- und Farbenspielen ein versöhnliches Ende. Mozart erkennt in seinem Freund Pjotr und in der Liebe seines (zweiten) Lebens Anju schlussendlich das Paradies auf Erden und beschließt zu bleiben.

In „Herr Mozart wacht auf“ prallen mit dem 18. und dem 21. Jhdt. zwei Welten aufeinander, das für einige Verwirrung der Protagonisten und zur Erheiterung beim Publikum sorgt. Der Kulturclash vollzieht sich nicht nur in neuen Erfindungen, sondern auch in der Musik, im Kostüm und der gehobenen (jedoch derben) Sprache Mozarts, die mit der heutigen Jugendsprache konkurriert – Differenzen, die bereits mit einer kleinen Portion Offenheit schnell beigelegt werden können.

In der Titelrolle brilliert Michael Großschädl als Komponist und Musiker, der regelrecht von Musik besessen ist und mit kindlicher Neugierde die moderne Welt entdeckt. Dabei schlägt die Figur auch musikalisch neue Richtungen ein, u.a. versucht sich Mozart im Jazz und hört Brahms und indische Musik – nur die deutschen Schlager wollen sein Ohr nicht so recht beglücken. Seine wahnsinnig anmutenden plötzlichen Lacher lassen auch Anklänge an die Figur Mozarts in Miloš Formans Film „Amadeus“ von 1984 vermuten.

Wer noch nicht die Ehre hatte, den Darsteller Mozarts in seinem Musikkabarett „Junge, lern doch einfach mal Deutsch!“ zu sehen, kann nun sein außerordentliches musikalisches Talent und seine Sprachgewandtheit in „Herr Mozart wacht auf“ bestaunen.

In den Nebenrollen begeistern Silvana Veit als quirlige und lebensfrohe Sängerin Anju, die das Herz Mozarts im Sturm erobert – János Mischuretz als Geiger Pjotr, der Mozart mit Rat und Tat zur Seite steht – Christoph Steiner, der die Lacher des jungen Publikums, sei es als WG-Bewohner, Ballonverkäufer oder als (Clown)-Doktor, sofort auf seiner Seite hat, sowie Martin Niederbrunner, Helmut Pucher und Yvonne Klamant, die in mehreren kleineren Rollen und Einlagen bestens zu unterhalten wissen. Für eine stimmungsvolle Musik sorgt Maurizio Nobili, für Gänsehaut eine mehrstimmige a-cappella-Interpretation des Lacrimosa aus Mozarts Requiem.

Das Bühnenbild von Katharina Heistinger ist sehr einfach gehalten und besteht aus mehreren bemalten bzw. beleuchteten dreiseitigen Prismen, dessen Bilder durch Umdrehungen beliebig ausgetauscht werden können. Die Umbauarbeiten, die von den Charakteren selbst durchgeführt werden, bekommen durch eingespielte Musik ein beinahe tänzerisches Flair.

Dass „Herr Mozart wacht auf“ ausschließlich für jugendliche ZuschauerInnen gedacht sein mag, täuscht. Vielmehr verspricht das Stück beste Unterhaltung für alle Junggebliebenen. Ebenso sei eine besondere Empfehlung für Musikliebhaber aller Art auszusprechen.

Weitere Infos, Trailer und Termine zum Stück finden Sie hier: http://www.nextliberty.com/stuecke/herr-mozart-wacht-auf/

Handliche Orchestermusik

Die 2. Soirée im Musikverein mit Svetoslav Borisov gab sich wienerisch.

Svetoslav Borisov

An den Anfang ihres Konzertes stellten die Grazer Philharmoniker Mozarts Serenata notturna KV 239. Dieser musikalische Faschingsscherz des 20-jährigen Maestros ließ die Solisten zu Beginn noch eher im Hintergrund agieren. Im dritten Teil traten sie flink und wendig als Vor- und Nachbereiter der Orchestermelodien hervor, wobei trotz lieblicher Interpretation, der humorvolle Funke nicht überspringen wollte (was natürlich auch werksbedingt sein kann).
Borisov, der derzeit Erster Kapellmeister am Theater Magdeburg und Gründer sowie künstlerischer Leiter des Kammerorchesters con fuoco ist, lobte die feine Atmosphäre des Kammermusiksaal im Grazer Congress. Tatsächlich hat der Saal eine ästhetische Intimität, die man gerne öfter mit Musik erfüllt erleben würde. Das Intermezzo für Streicher op. 8 von Franz Schreker entführte sofort aus der geradlinigen Klangwolke Mozarts. In seiner Tonsprache an Mahler wie an Wagner erinnernd, spielt der wenig bekannte Komponist mit engen Strukturen, deren dichte Ströme nur am Höhepunkt erhellt werden und doch stets den Beigeschmack von Schwermut in sich tragen. Auf diesen spannenden Einschub folgte der zeitlose Zauber Haydns. Seine Sinfonia concertante in B-Dur, op. 84 ließ schon in der Einleitung eine Leichtigkeit ohne jegliche Naivität spüren. Behände folgte die konzentrierte Gruppe der Grazer Philharmoniker der weichen Dynamik des Dirigenten. Besonders charmant schrieb Haydn in diesem Werk die Rolle der vier Soloinstrumente: Violine, Cello, Oboe und Fagott. Bernhard Vogl am Cello und Kamen Nikolov mit Oboe gestalteten das Andante schmeichelnd schön, Yukiko Imazato-Härtl fügte sich an der Violine etwas steif ein während Antonio Piccolotto mit seinem Fagott viele sanftmütige Klänge schuf. Das abschließende Allegro con spirito schien zu langsam angestimmt, ausgewogen jedoch bewies sich der Klang des Solistenquartetts.

Weitere Informationen zum Konzert und anderen Veranstaltungen des Musikvereins unter:
https://www.musikverein-graz.at/konzert/2-soiree-2/

Wien: W. A. Mozart in Studenten-WG aufgefunden – Herr Mozart wacht auf

BILD:  Martin Niederbrunner, Christoph Steiner, Michael Großschädl © Lupi Spuma

Mozart lebt! Nein, nein nicht Elvis! Es ist Mozart, der im Next Liberty unter der Regie von Alexander Medem zum Leben erweckt wird, denn in dem Stück „Mozart wacht auf“ von Eva Baronsky dürfen alle ab 12 den wiedererweckten Komponisten in rosa Plüschpantoffeln durch Wien begleiten. 

Ein Morgen wie jeder andere nach einer Party in einer Studenten-WG in Wien. Es wird aufgeräumt und notdürftig geputzt. Doch dann finden die Studenten (gespielt von Martin Niederbrunner und Christoph Steiner) einen Gast der letzten Nacht im Bett ihrer Mitbewohnerin vor. Nach einem schnellen Pulscheck ist klar – er lebt! Das heißt, er kann auch beim Putzen mithelfen. Als der vermeintliche Gast (gespielt von Michael Großschädl) aufwacht, schaut er verwirrt um sich und betrachtet jeden Gegenstand im Raum, als hätte er ihn zum ersten Mal gesehen. Er murmelt etwas von Paradies und behauptet dann felsenfest der verstorbene Wolfgang Amadeus Mozart zu sein. Den Studenten ist klar: der hat anscheinend noch was intus. Schnurstracks wird der Verrückte auf die Straße gesetzt und die Aufräumarbeiten werden fortgesetzt.

In der Wiener Innenstadt kämpft sich nun der Neuling ganz verloren durch die Menschenmassen bis ihn eine Melodie Hoffnung gibt. Ein Straßenmusiker entzückt den verstorbenen Komponisten und er sucht das Gespräch. Bei ihm findet er Zuflucht und lernt das 21ste Jahrhundert näher kennen. Unter dem Decknamen Wolfgang Mustermann komponiert er ein kleines Stück für eine Jazz-Sängerin, die ihn im Blue Notes (einem Jazz Café) verzaubert. Es scheint alles gut zu gehen, bis er sich seiner jungen Geliebten offenbart und seine wahre Identität preisgibt.

Nach einem Unfall wird Mozart in eine Nervenanstalt gebracht und festgehalten. Er glaubt, sein einziger Weg zurück in seine Zeit sei es, seine letzte Sonate fertigzustellen, jedoch ergreift ihn der Wahnsinn. Nach einiger Zeit besuchen ihn der Straßenmusiker und die Jazz-Sängerin und begreifen, dass man Mozart so nehmen muss, wie er ist und überreden den Komponisten, noch eine Weile im 21sten Jahrhundert zu bleiben.

Das Stück „Herr Mozart wacht auf“ von Eva Baronsky wurde nach ihrem gleichnamigen Roman angefertigt. Die Idee eines Zeitreisenden ist schon öfters in verschiedenen Formen in der Literatur aufgekommen, jedoch verzückt dieses Stück mit seinem österreichischen Touch. Nicht nur inhaltlich wird Wien hervorragend präsentiert, sondern auch sprachlich kommt Mundl-Feeling auf. Auch die Korrelation zwischen dem Wiener Deutsch aus Mozarts Zeiten und dem aus dem 21sten Jahrhundert unterhalten das Publikum, jedoch scheinen einige Kraftausdrücke und derbe Anspielungen in einem Kindertheater etwas fehl am Platz .

Das Bühnenbild (von Katharina Heistinger) ist etwas Besonderes, denn Prismen bespannt mit bemalten Leinwänden stellen verschiedene Orte mit nur wenigen Drehungen dar.  Auch das Bett und das Klavier werden wie durch Magie auf selbstfahrenden Podesten bewegt. Die Kostüme lassen Mozarts Mode mit Bohoo-Studenten-Style verschmelzen und im zweiten Teil des Stückes lassen surreale, bunte Kostüme den Zuschauer die Perspektive Mozarts nachempfinden.

Inhaltlich regt das Stück zum Nachdenken an, denn das Fremdsein in einem Land trifft nicht nur auf Zeitreisende zu. Das Stück zeigt auf, dass manchmal Menschen, die am wenigsten haben, am meisten geben, denn wie der Straßenmusiker auch am eigenen Leib erfahren hat, ist es für Neulinge in einer Stadt sehr schwer.

Ein empfehlenswertes Stück, das noch bis Juni im Next Liberty zu sehen ist.