Das Glück in unseren Sternen

In einer wunderbar nostalgischen Inszenierung von Natascha Grasser erwecken zwei Feen das Märchen „Die Schöne und das Biest“ in der Version von Lucy Kirkwood und Katie Mitchell mit verzauberten Rosen und funkelnden Regenschirmen wieder zum Leben – ein wahrer Ohren- und Augenschmaus für Kinder und Erwachsene.

Das Biest (Christoph Steiner) und Belle (Simone Leski)
© Lex Karelly Photography
 

Wenn zwei echte(!) Feen ein Märchen erzählen, dann muss es wohl voller Magie sein – und die kommt bei der Geschichte über Prinz Phillip definitiv nicht zu kurz. Dieser wurde als Junge von einer auf Rache durch verschmähte Liebe sinnende Fee verflucht und muss seitdem als gefürchtetes Biest ein einsames Dasein auf seinem Schloss fristen. In diese Gemäuer verirrt sich der Vater von Belle und Gundula, erhält dort Speis und Trank und nimmt eine rote Rose an sich, die er Belle versprochen hat. Das Biest verlangt im Gegenzug dafür, er möge doch seine Tochter zum Abendessen vorbeibringen. Das „Blind Date“ verläuft gut – (nahezu) jeder Wunsch wird Belle erfüllt –  und das Biest kann sie überzeugen, zu bleiben.
Fortan lebt sie auf dem Schloss und haucht den verstaubten tristen Gemäuern mit ihrer unkonventionellen Art (u.a. bevorzugt sie bequeme Puffhosen gegenüber prunkvollen Kleidern) und einem stets positiven Gemüt neues Leben ein. Belle und das Biest kommen sich näher, doch bevor sie ihn retten kann, muss sie zu ihrer Familie zurückkehren und vergisst (beinahe) ihre Zeit am Schloss. Wird sie den tieftraurigen Schlossbesitzer doch noch von seinem Fluch erlösen können und damit auch endlich ihr eigenes Glück finden?

Die Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern stimmte jedenfalls so perfekt, dass sich das junge Publikum lautstark für ein Happy End einsetzte. Simone Leski verzaubert in ihrem Einstand am Next Liberty als herzensgute rebellische Belle, an ihrer Seite steht Christoph Steiner, herrlich als tierisch gutes und liebenswertes Fellknäuel. Yvonne Klamant kommt als fröhliche Fee Cecile doch noch zu ihrem entzückend dargebotenen Chanson, während Helmut Pucher als strenge Fee Pink gekonnt das Publikum durch das Märchen führt. Darüber hinaus unterhalten Lisa Rothhardt als Belles bedauernswerte Schwester Gundula und deren elegant gekleideter und fürsorglicher Vater, gespielt von Martin Niederbrunner.

Die Inszenierung von Natascha Grasser sprüht vor originellen Ideen und magischen Momenten (Philipp Tawfik). Düstere Stimmung erzeugt die schlicht in schwarz gehaltene Ausstattung von Markus Boxler, sowie die mystische Musik von Christof Ressi, inklusive skurrilem Insektenorchester. Schrille kreative Kostüme werden – wie bunte Farbtupfer – auf der Bühne perfekt in Szene gesetzt. Außerdem verleihen Schattenspiele, Sandmalereien, Szeneneinfrierungen und funkelnde Accessoires dem Werk einen Hauch Nostalgie und dem Publikum leuchtende Augen.

Es ist ein Stück über den wahren Wert der äußeren und inneren Schönheit, die Vorteile einer vorurteilsfreien Welt, sowie über all die großen und kleinen Momente im Leben, die zählen:
Ein zauberhafter Auftakt in eine neue Spielzeit.

Weitere Termine (bis März 2020), Trailer und Infos unter:
http://www.nextliberty.com/stuecke/die-schoene-und-das-biest/

Wo das Meer ist so schön…

…wo das Meer ist so blau, da ereignet sich die Geschichte von Branko und der Bande der Uskoken um ihre berühmt-berüchtigte rothaarige Anführerin. Regisseur Georg Schütky bringt „Die rote Zora“ in einer eindrucksvollen Inszenierung nach einem gesellschaftskritischen Roman von Kurt Held auf die Bühne des Next Liberty Graz.

(c) Lupi Spuma

Ich habe keine Angst – dies ist das Motto des Jungen Branko. Die Mutter ist tot. Der Vater, ein Geiger, ist verschwunden. Auf sich alleine gestellt, stiehlt er einen Fisch vom Markt und wird dabei prompt vom reichen Karaman erwischt und ins Gefängnis gesteckt. Ist es wirklich ein Verbrechen, aus Hunger und Not zu stehlen? Die Rote Zora befreit ihn aus dem Gefängnis und nimmt ihn in ihre Bande auf. Von den Stadtbewohnern werden die Uskoken nicht akzeptiert, einzig Fischer Gorian nimmt sich der Kinder an.

Amelie Bauer schlüpft in die Titelrolle als selbstbewusste, neugierige und schlaue Anführerin der Uskoken. An ihrer Seite steht Branko, toll gespielt von Gregor Kohlhofer, der stets nach Mut und Gerechtigkeit strebt.
Die pfiffigen Bandenmitglieder der Uskoken, Duro (Christoph Steiner), Pavle (David Valentek) und Nicola (Thilo Langer) sind eine eingeschworene Gruppe. Alexander Mitterer begeistert als sympathischer und selbstloser Fischer Gorian mit seinem natürlichen Spiel Kinder gleichermaßen wie Erwachsene.
Der reiche Karaman (herrlich böse: Helmut Pucher) sieht in den Uskoken bloß eine kriminelle Bande. Martin Niederbrunner als Fischer Radic spielt Gorians Konkurrenten.
In einer Doppelrolle mimt Yvonne Klamant die wunderbar schrullige Großmutter Brankos, sowie die bezaubernde junge Geigerin Zlata, in die sich Branko schließlich verliebt. Zlata spielt in der literarischen Vorlage eine nicht unwesentliche Rolle und man hätte ihr gerne etwas mehr Spielzeit gegönnt. Stefan Heckel, ebenfalls in einer Doppelrolle als leicht bestechlicher Musiker und Bürgermeister, taucht stets zur richtigen Zeit am richtigen Ort auf und untermalt die jeweiligen Szenen mit eigenen Kompositionen und Improvisationen auf der Harmonika.

Die Idee des Regisseurs, die Hauptcharaktere Zora und Branko erst auf der Bühne in ihre Rollen schlüpfen zu lassen ist einfach, aber wirkungsvoll: Jeder kann schneller als gedacht in eine solch prekäre Lage kommen, in der Hunger und Not an der Tagesordnung stehen. Jeder kann aber auch den Mut der Figuren aufbringen, sich für seine Mitmenschen einzusetzen und für Gerechtigkeit zu kämpfen.

Einen ebenso großen Effekt erzielt die beeindruckende Klangkulisse, die vorwiegend von den SchauspielerInnen selbst produziert wird. Beispielsweise ahmen sie verblüffend echt Tierstimmen nach oder imitieren Wellen auf Hoher See und regen damit die Phantasie des Publikums an. Für Gänsehaut sorgt der Moment, indem Amelie Bauer zusammen mit Gregor Kohlhofer auf der Burg das Lied der Roten Zora anstimmt. Dieser Zauber verfliegt jedoch am Ende des Stückes, wenn dasselbe Lied, dieses Mal mit Mikrophonen und eingespielter Musik vom gesamten Ensemble gesungen wird. Die Darbietung wirkt eher wie ein Fremdkörper in der sonst so brillant atmosphärischen und leisen Struktur des Stückes.

Das Bühnenbild von Anja Lichtenegger beeindruckt mit multifunktionalen Holzkisten, die in die Höhe ragen. Mit wenigen Handgriffen wird die Kulisse zur Burg, zum Fischmarkt oder zum offenen Meer. Die einzelnen Blöcke werden im Laufe des Stückes immer wieder getrennt und isolieren so die Charaktere. Zudem sorgen Roland Renners wunderbar atmosphärische Videoprojektionen auf den Kisten für stimmungsvolle Bilder.

Die geniale Idee der Rauferei der Uskoken mit der verfeindeten Gruppe der Gymnasiasten erregte Lachstürme, da sich die DarstellerInnen mit Hemden und Pullovern prügelten. Die jungen ZuschauerInnen konnten sich kaum noch auf den Sitzplätzen halten, als Gorian Fische in die Menge warf. Waren anfangs nur Zora und Branko Teil des Abenteuers, so wollten im Laufe des Stückes immer mehr ZuschauerInnen Mitglied der Bande der Roten Zora werden – „Uskoken für immer vereint!“

Weitere Informationen, Termine und Trailer finden Sie hier: http://www.nextliberty.com/stuecke/die-rote-zora/

Erzählung aus dem Bauch heraus – WOLF

Es war einmal vor langer Zeit – im Herbst 2017 –  als „WOLF oder Rotkäppchens Entscheidung aus dem Bauch heraus“ Premiere im Next Liberty feierte. Und seitdem war sicher, dass es nicht nur bei einer Vorstellung bleibt, denn auch in dieser Saison erzählt Christoph Steiner das bekannte Märchen ganz oft im Next Liberty Wald!

Die Geschichte des Rotkäppchen ist jedem bekannt und man scheint zu wissen, was auf einen zukommt, doch der Schein trügt. Hier wird keine fade Gute-Nacht-Geschichte à la Grimm erzählt, sondern ein witziges Abenteuer, in dem man mitfiebert und in einem  gewissen Maße mitspielt.

Auf der Bühne steht ein Wald oder besser gesagt stehen mehrere kurze, kleine Baumstämme. Während das Publikum seine Plätze sucht, spielen die vier Musiker vergnügt. Doch da ist noch jemand, der etwas ganz verzweifelt sucht. Er sucht am Boden, sucht am  Balkon, zwischen  dem Publikum und auf der Bühne. Es ist der Erzähler (Christoph Steiner). Bevor der Grund seiner Verzweiflung genannt wird, beginnt er zu erzählen, wie alles begann: Vor langer, langer, langer  Zeit. 

Rotkäppchen, das zu Beginn – ach so bekannte – Sprüche von Müttern zitiert, wird zur Großmutter geschickt. Jedoch wird dies zum Balanceakt, denn der Wolf, dessen Figur herrlich gruselig dargestellt wird, schafft es, das Mädchen durch luftige, runde Blümchen vom Weg abzubringen. In der Zwischenzeit bekommt die (ziemlich fitte) Oma, die von Christoph Steiners Rückseite sehr gut gespielt wird, Besuch vom Wolf. Es ist ja nicht so, als hätte man das Kind nicht gewarnt. Eine schrille Krähe, die auch Fluglehrer ist, rät Rotkäppchen, nicht in den Wald zu gehen. Und ein Maulwurf, der verblüffende Ähnlichkeiten mit einem Knie hat, zeigt nicht nur seine Tanzkünste, sondern versucht das Rotkäppchen mittels Luftballontier zu warnen. Alles hilft nichts, denn nach einem Tango mit der haarigen Omi wird das Mädchen zum Nachtisch. Im Bauch des Vierbeiners finden sich alle wieder. Musiker, Erzähler, Rotkäppchen, Oma und das Publikum stecken alle fest! Doch dann gehen die Türen des Saals auf und alle stürmen hinaus ins Foyer – Freiheit!

Ein besonderes Stück, das nicht nur durch den Wortwitz und den vollen Körpereinsatz von Christoph Steiner unterhält, sondern auch durch die Interaktion mit dem Publikum Jung und Alt vollkommen begeistert.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann spielen sie dieses Stück (bitte) noch lange, lange, lange Zeit!