Die Blumen der Anderen: Flucht als Thema

Die Blumen der Anderen so lautet der Titel der aktuellen Ausstellung von Reinhild Gerum im Kulturzentrum der Minoriten. Dabei handelt es sich um eine von zwei Ausstellungen im Kulturzentrum, die die aktuelle Flüchtlingskrise aufgreifen.

Blumen spielen in Reinhild Gerums Ausstellung eine wichtige Rolle. Blumen als (Gast-)Geschenk – Blumen als Ausdruck dafür, was man nicht hergeben will. Blumen aus buntem Papier – Blumen aus spitzem Draht. Der Kontrast zwischen der unterschiedlichen Symbolik mit der Blumen aufgeladen werden können, verdeutlicht die Wirkungsmacht der Kunstwerke.

Die Münchner Künstlerin Reinhild Gerum beschäftigt sich nicht erst seit der aktuellen Flüchtlingskrise mit dem Thema „Flucht“ und den Auswirkungen, die diese auf Menschen haben kann: Angst um das eigene Leben und um das Leben von anderen zu haben; angekommen im neuen Land, vom Leben ausgeschlossen zu sein. Das Flucht ein Lebensthema von ihr ist, macht die Tiefe ihrer Werke aus. Schon als Kind bekam sie, wie sie in einem Interview erzählt, schon unbewusst mit, wenn von „Flucht“ gesprochen wurde. Während ihres Studiums hatte sie Kontakt zu aus der DDR nach Westdeutschland geflohenen Mitstudierenden, die ihr ihre Geschichten erzählten. Bereits 2009 hat sie mit Flüchtlingen in Zirndorf ein künstlerisches Projekt gestaltet. Ausgehend von der These, dass man sich, vor allem in Krisen, immer auf die Ressourcen besinnen muss, die man zur Verfügung hat, gestaltete Gerum mit Flüchtlingen Gastgeschenke: Blumen, hergestellt aus Papierabfall.

Auf Ressourcen, die sie umgeben, greift sie aber auch in einer sehr persönlichen Arbeit zurück: Ihre Mutter hatte Gerum nach ihrem Tod eine Menge von Nähmaterialien hinterlassen. Aus dem Draht formt die Künstlerin Blumen. Diese wirken bedrohlich, der Draht im Gegensatz zu dem weichen Material, aus dem die Papierblumen der Flüchtlinge gestaltet sind, hart. Die Blumen ziehen Grenzen, grenzen durch die Spitzen nach außen hin ab, verdeutlichen das schwierige Verhältnis der Künstlerin zur eigenen Mutter.

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(c) liawriting

„Kunst als (Gegen-)Statement“ zum oberflächlichen Meinungsstrom zu verwenden und andere Perspektiven anzubieten will das Kulturzentrum der Minoriten mit der Ausstellung von Gerum und der parallel laufenden Ausstellung zu Fluchtlingsporträts vom französischen Künstler Guillaume Bruére erreichen. Die Sprache der Kunst soll einen Gegenpol schaffen zur hektischen Alltagssprache und den oberflächlichen Argumenten, die das Flüchtlingsthema beherrschen. Diese Tiefe zu erzeugen gelingt vor allem in den Werken der Künstlerin, in denen die Narrativität in den Werken sichtbar präsent wird, wie etwa in dem aufgestellten Boot im Eingangsbereich. In diesen finden sich Fluchtgeschichten von Menschen vor unterschiedlichen Umständen in verschiedenen historischen Kontexten – alle jedoch sind im selben Boot, müssen unabhängig von den äußeren Gegebenheiten mit den gleichen Problemen kämpfen. Zur Ausstellungseröffnung hat Ninja Reichert diese Fluchtgeschichten vorgelesen:

Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt klar auf dem Thema ‚Flucht‘, jedoch sind auch gerade Gerums Arbeiten zu Gewalt sind faszinierend. Auch hier stehen die narrativen Geschichten im Vordergrund, der Perspektivenwechsel von Täter zu Opfer, der unvermeidlich die nicht-haltbare Dichotomie der beiden Begriffe aufweist, der Unterschied zwischen Außensicht (verdeutlicht durch Zeitungsberichte über Gewalttaten) und Innensicht (tagebuchähnliche Aufzeichnungen eines ‚Täter‘ von Gewalttaten).

Bei „Die Blumen der Anderen“ handelt es sich um eine Ausstellung, für die Besucher*innen sich Zeit lassen müssen, da narrative Elemente im Vordergrund stellen. Die erzählten Geschichten können jedoch nur ihre Wirkung entfalten, wenn genügend Zeit vorhanden ist, die Kunst auf sich wirken zu lassen. Die Ausstellung ist noch bis zum 08. Mai im Kulturzentrum der Minoriten zu sehen -gleich wie die zugleich laufende Ausstellung „Das Gesicht der Anderen: Flüchtlingsporträts“ von Guillaume Bruère.