Schubert mit Knabenstimme

Der Countertenor Philippe Jaroussky zeigte sich in untypisch Schubert’schen Kleid.

(c) Simon Fowler

Der vierte Liederabend dieser Saison im Musikverein für Steiermark gab Klassisches in unkonventioneller Kombination. Der große Countertenor Philippe Jaroussky, der vor allem durch seine Interpretation barocker Opernarien bekannt ist, sang im Grazer Stefaniensaal eine Hommage an Franz Schubert. Eine thematisch lose Zusammenstellung aus Schuberts Liedschaffen machte der französische Sänger gemeinsam mit dem Pianisten Jérôme Ducros zu einer schlüssigen, kurvenreichen Reise der Emotionen. Einige von Schuberts herzzerreißendsten Melodien kamen dabei zu Ohren, wie „Des Fischers Liebesglück“ und „Du bist die Ruh‘“. Die Wandelbarkeit von Jarousskys Stimme ist dabei nicht groß; in den stürmischeren Stücken verleiht er Ausdruck primär durch Artikulation und Dynamik. In den stillen, melancholischen Seiten Schuberts schienen die vibrierenden Bögen teilweise überromantisiert. Ausgeglichen wurde dies durch das strenge Metrum am Klavier durch Ducros. Der französische Pianist und Komponist färbte sein Spiel mit zurückhaltender Lebendigkeit, das in seinen beiden Soloauftritten eine füllige Präsenz einnahm. Das Impromptu Nr. 3 begann mit einer wunderbar fließenden Einleitung direkt aus dem Lied heraus und brachte in seinem Fluß der Emotionen muntere, traurige, kräftige und sanfte Farben mit sich. Schubert, ja dieser Schubert trägt all das in sich.
Besonders lagen dem Counter die Lieder von einem stimmungsvollen Hymnus, wie die Litanei auf das Fest aller Seelen. Wirklich alle Seelen schienen seiner Stimme hier zu lauschen, so unendlich zärtlich gestaltete Jaroussky die schlichte Melodie. Auch in der Zugabe ließ er den gleichen Ton anklingen. Das in fast allen Fällen abgesungene Ave Maria Schuberts gewann durch die Interpretation und den Klang des Countertenors eine tönende Unschuld, deren Bann man sich nicht verwehren konnte.

Weitere Informationen zum Konzert unter:
https://www.musikverein-graz.at/konzert/4-liederabend-5/

Wolf italienisch

Im letzten Liederabend der Saison boten Christiane Karg und Michael Nagy Hugo Wolfs „Italienisches Liederbuch“. Am Klavier spielte der großartige Gerold Huber.

Christiane Karg (c) Gisela Schenker

Selten ist der italienische Wolf vollständig zu hören, vermutlich auch weil das Werk etwas im Schatten des „Spanischen Liederbuches“ steht. Der Großteil der Lieder handelt von den vielen Formen der Lieder, für die italienische Gedichte in deutscher Übersetzung von Paul Heyse als Inspirationsquelle dienten. Dazwischen sind aber ein paar musikalische Anekdoten ganz anderer Art hineingeschummelt, die teils religiösen teils rein erheiternden Charakter zeigen. Christiane Karg, die im Vorjahr mit einem Liederabend voll großer Erzählkunst aufhorchen ließ, konnte ihre Stimme in Wolfs Stückerln nicht voll ausschöpfen. Zu Beginn schienen ihre Töne eng gehalten und erst im Laufe des Konzertes wurde die frische, leichte und kecke Charakteristik ihres Vortrages deutlich, wie sie es etwa in „Ihr jungen Leute“ bewies. Im zweiten Teil bescherte ihre Stimme aber doch den Höhepunkt des Abends mit dem Lied „Oh wär‘ dein Haus durchsichtig wie ein Glas“. Zum gläsern feinen Spiel von Gerold Huber entlockte sie ihrer Stimme hier sehnsuchtsvolle Töne, die mit ihrer Zerbrechlichkeit und Anmut Stillschweigen im Saal beschwören konnten.

Michael Nagy (c) Monika Höfler

Den Part des Baritons übernahm Michael Nagy, der hiermit aus sein Debüt im Musikverein für Steiermark beging. Seine Stimme gewann ebenso wie die seiner Partnerin im Laufe des Abends an Lebhaftigkeit, und so erklang „Heb auf dein blondes Haupt“ besonders schmeichelnd. Den schlummernden Weitklang seiner Töne hob er sich allerdings für den zweiten Teil des Abends auf, und so wurde man in „Schon streckt‘ ich aus im Bett die müden Glieder“ noch munter überrascht. Getragen und gehoben wurden die beiden Sänger vom Pianisten Gerold Huber, der an der Musikhochschule Würzburg auch eine Professur für Liedbegleitung innehat. Hubers Spiel ist klar, nuanciert und lebhaft. Einzig die zu kurzen Pausen zwischen den Stücken lassen sich bemängeln, da man selbst als Zuhörer das Gefühl hatte, kaum durchatmen zu können. In Summe blieb der Eindruck zurück, dass das Schaffen Hugo Wolfs zwar auch hier zu unterhalten wusste, um einen ganzen Abend allerdings spannungsvoll zu füllen, wären mehr Kontraste und/oder ein durchgezogener Faden von Nöten gewesen.

Weitere Informationen zum Konzert unter:
https://www.musikverein-graz.at/konzert/5-liederabend-3/

Eindringliches Liedgut fein vermittelt

Das 8. Kammerkonzert der Grazer Oper bot rare Kostproben aus dem Liedschaffen von Wolf, Mendelssohn Bartholdy und Gottfried von Einem.

Markus Butter (c) Oper Graz

Ein Abend mit zwei vielseitigen Sängern wie Markus Butter und Mirella Hagen und einem bescheiden leidenschaftlichen Pianisten wie Robin Engelen ist ein Glücksfall. Dass dann noch die letzten Strahlen der Abendsonne das Spiegelfoyer beleuchteten, in der sich eine kleine aber sehr aufmerksame Gruppe an Zuhörern am Montag Abend eingefunden hatte, gab der Atmosphäre noch den letzten Schliff. Die drei Musiker schafften es die drei unterschiedlichen Stile von Wolf, Mendelssohn Bartholdy und Gottfried von Einem zu einem Konzert zu konzipieren, das sowohl eindringlich, unterhaltsam als auch wohltuend auf das Gemüt wirkte. Mit Auszügen aus dem Spanischen Liederbuch von Hugo Wolf wechselten sich Sopran und Bariton stets ab und beleuchteten dadurch die verschiedenen Schattierungen von Wolfs Tonsprache aus zwei stimmlichen Perspektiven. Mirella Hagens Sopran ist wunderbar rein und leicht und konnte von ihr selbst an den höchsten Stellen zart geführt werden. Schon in ihrem ersten Lied „In dem Schatten meiner Locken“ kitzelte ihre Stimme neckisch die Ohren des Publikums. Die Botschaft des Stücks „Alle gingen, Herz, zur Ruh“ wusste sie so eindringlich wie lieblich zu vermitteln, dass der Wunsch aufkam, seinem Liebsten über die Wange zu streichen. Auch Markus Butter wusste seine Stimme klug in den Liedern Wolfs einzusetzen. Seine sonst füllig männliche Stimme nahm in „Auf dem grünen Balkone“ eine junge Färbung an, die den verliebten Jüngling der Geschichte perfekt verkörperte.

Robin Engelen (c) Oper Graz

Im zweiten Teil wurden Lieder von Felix Mendelssohn Bartholdy direkt dem Zyklus „Prinzessin Traurigkeit oder Ein Känguruh im Schnee“ von Gottfried von Einem gegenüber gestellt. Hinter dem absurden Titel versteckt sich eine trockene aber äußerst unterhaltsam dargebotene Liebesgeschichte einer Parfumverkäuferin und eines Philosophen nach Texten von von Einems Ehefrau Lotte. Verschiedenste banale Floskeln, etwa „Liebst du mich? -Wie die Gans den Gänserich!“, mischen sich hier mit alltäglichen aber bitter ernsten Problemen eines Paares. Die Vertonung setzt unerwartet Akzente in die Geschichte, die man weniger verstehen als naiv mitfühlen kann. Das Werk von 1992 hinterfragt nicht nur die klassischen Geschlechterrollen, sondern thematisiert auch die plötzliche Scheidung und die folgende Einsamkeit, in die sich beide darstellenden Sänger mit Heftigkeit hineinsteigerten. Engelen gab sich wie gewohnt behände und es ist eine Freude, ihn beim Mitleben der Musik zu beobachten. Eingeflochten in von Einems Liebesdrama aren Duette Mendelssohn Bartholdys aus dem op. 63. Auch hier bildeten die Musiker mit ihren Akzente, dem Fluss und der Abgestimmtheit ein überzeugendes Dreigestirn. Dem schönen Kitsch des simplen „Volkslieds“ kann man sich da schlicht nicht verwehren.

Weitere Informationen zum Konzert unter:
https://www.oper-graz.com/production-details/spanisches-liederbuch