Wozu braucht man eigentlich ein Herz?

@ TaO / Clemens Nestroy

„Das kalte Herz“ – eine notwendige Wertediskussion frei nach Wilhelm Hauff wird im TaO! – Theater am Ortweinplatz aufgeführt. In diesem Stück begleitet man den Kohlenpeter auf seiner Reise und seinem Streben nach Reichtum.

Die drei DarstellerInnen schlüpfen während des Stücks in unterschiedliche Charaktere rund um das Leben des Kohlenpeter, der sich mehr wünscht, als nur mit Kohle zu arbeiten. Wenig gesellschaftliches Ansehen und auch wenig Entlohnung machen ihm zu schaffen. Auf den verschiedenen Etappen seines Lebens werden einige Fragen aufgeworfen:

Armut oder Reichtum? Ein kaltes oder doch ein warmes Herz? Ein Stein oder ein Herz voller Gefühle? Wann braucht man diese lästigen Gefühle denn wirklich?

Diese Fragen regen auf humorvolle Art und Weise zum Nachdenken an. Die Inszenierung bringt das Publikum zum Staunen, zum Lachen und ab und zu zum Kopfschütteln. Schon beim Begehen des Theaters wird auf der Bühne gespielt, was den Besuchern bereits beim Platzfinden zu einem spannenden Theatererlebnis macht. Das ist aber nicht die einzige Überraschung, die dieses Stück bereit hält!

@ TaO / Clemens Nestroy

Daher mein Tipp für die Vorsätze des Neuen Jahres:  setzen Sie dieses Stück auf die Liste!

Spielzeiten:

12.05.2022 – 12:00 Uhr

13.05.2022 – 12:00 Uhr

14.05.2022 – 18:00 Uhr

16.05.2022 – 12:00 Uhr

17.05.2022 – 12:00 Uhr

18.05.2022 – 12:00 Uhr

19.05.2022 – 12:00 Uhr

20.05.2022 – 12:00 Uhr

23.05.2022 – 12:00 Uhr

24.05.2022 – 12:00 Uhr

25.05.2022 – 12:00 Uhr

30.05.2022 – 12:00 Uhr

31.05.2022 – 12:00 Uhr

Mehr Infos und weitere Spielzeiten finden Sie unter: https://tao-graz.at

Das Problem mit einer wie der

Mit dem Stück „#nakedscarlett“ zeigt das Theater am Ortweinplatz derzeit, wie fragil junge Mädchen-Freundschaften sein können. Die Texte stammen von Evan Placey.

Seit dem Kindergarten sind sie unzertrennlich, schon immer beste Freundinnen. In der Schulzeit besuchen sie gemeinsame eine Klasse. Sie sind ein Team. Ist das nicht schön? Du bist nie allein, bist nie auf dich selbst angewiesen, deine besten Freundinnen stehen dir immer zur Seite. Bis zu dem Punkt, an dem ein Nacktfoto von einem der Mädchen auftaucht, nämlich von Scarlett. Statt ihr zu helfen und für sie da zu sein, beginnt der Rest der Gruppe, sich von ihr zu distanzieren. Weil: Solche Sachen werfen nur ein schlechtes Licht auf die anderen. Die macht Probleme. Die anderen sind brav und schlau und wissen, wie man sich verhält. Die würden das doch nie tun. Und es beginnt ein Teufelskreis, denn das Foto wird nicht gelöscht, sondern weitergeleitet. Und aus Freunden werden Feinde, vor denen du niemals sicher bist. Nicht einmal in deiner neuen Schule.

Die Bühne des Theaters ist fast leer, nur acht Mädchen (Jana Czernovsky, Vanessa Defant, Sandra Hart, Amina Knam, Laura Kerschbaumsteiner, Johanna Schwaiger, Felicitas Wasner, Lilli Wüntscher) stehen vor acht Mikrofonen darauf. Der Hintergrund wird von einer Leinwand durchzogen, auf der unterschiedliche Fotos der Mädchen aufflackern. Es sind Gruppenfotos, Porträts, Erinnerungen. Die Mädchen sind alle gleich angezogen, weiße Bluse, helle Shorts, weiße Socken – ein klares Zeichen ihrer Zusammengehörigkeit. Denn ihre Worte, ihre Taten zeigen, dass sie zusammen gehören. Nur Scarlett gehört nicht mehr dazu, denn durch ihr Nacktfoto hat sie sich ins Aus geschossen. Während die anderen zu hassen beginnen, taucht die eigentliche Hauptdarstellerin eigentlich nie auf, sondern wird abwechselnd von einem der Mädchen gesprochen. Vielleicht, weil in jedem der acht Freundinnen eine kleine Scarlett steckt. Denn hinter ihrer guten Erziehung und ihrer Bildung hätte es jedem der Freundinnen passieren können. Weil solche Sachen wie Nacktfotos und Co. zwar nicht schlau sind, aber eben zur Pubertät gehören. Nur nicht zur Pubertät der anderen, wie die Darstellerinnen in einer wirklich guten Performance zeigen, vor allem wenn man weiß, dass die Rollen hauptsächlich online erarbeitet wurden. Am Ende des Stückes verspürt man als Zuseher sogar eine leichte Abneigung gegenüber den Schauspielerinnen, ein Zeichen für die gute Leistung. Man verspürt aber auch etwas Verständnis, denn hin und wieder bröckelt die Fassade eines Mädchens und statt Hass und Missgunst kommt eine Freundin zum Vorschein, die sich doch Sorgen um Scarlett macht. Doch der Gruppenzwang fordert Wut. Also bleibt die Wut.

Mit „#nakedscarlett“ beleuchtet das Theater am Ortweinplatz (TaO!) nicht nur die Abgründe von Mädchen-Freundschaften, sondern auch patriarchale Züge, die bis heute unsere Gesellschaft dominieren. Als beispielweise das Nacktfoto eines beliebten Jungen von der Schule auftaucht, bekommt dieser keinen Hass zu spüren, sondern Bewunderung. Sein Körper schaut doch gut aus, nur Scarlett ist hässlich. Und als das Thema Sex aufkommt, wird auch hier auf alte Muster gesetzt. Männer, die mit vielen Frauen schlafen, sind quasi Könige. Die dürfen das. Mädchen hingegen sind Schlampen. Weil diese Meinung sogar unter besten Freundinnen kursiert, zeigt sich das fragile Band junger Mädchenfreundschaften. Gleichzeitig wird aber auch der Neid sichtbar, der viele Freundschaften dominiert. Wer ist dünner? Wer hat größere Brüste? Wer hat mehr Typen? Ein großes Problem, dem vor allem junge Mädchen ausgesetzt sind, die in einer Gesellschaft aufwachsen, die darauf aufbaut, dass man sich vergleicht und konkurriert. Ein empfehlenswertes Stück für Eltern sowie Jugendliche!

Mehr Infos und Spieltermine gibt es hier.

Schönheit und Hässlichkeit als Schwestern

Dorian Gray mit roten Highheels? Gespielt von einer Frau? Im digitalen Zeitalter? Ja, das geht. Das TaO! beweist es auf schrille und eindringliche Weise.

Schaufensterpuppen ohne Kopf, Armen, Beinen. Mehrere perfekte Torsi schmücken die hauptsächlich weiße Bühne. Dahinter stehen zwei idente weiße Schminktische. Links, rechts und auf der Rückwand schöne Fotos. Sie verlieren ihre Schönheit im Laufe des Stückes. Das Alter setzt ihnen zu. Und auch die Reinheit des Weiß verliert an Makellosigkeit. – Muss doch ein roter Teppich ausgerollt werden. Nur die Torsi bleiben beinahe unverändert. Auf ihnen sitzen die beiden Schauspielerinnen Bianca und Dilara Foscht. Sie küssen sie. Auf ihnen versuchen sie wackelig zu stehen. Fallen herunter, als eine die andere schupst. Einen festen Stand kann man auf den Schultern der puren Schönheit nicht entwickeln. Doch trotzdem streben sie danach. Sie? Wir! Die Jugend unserer Zeit. So hebt es diese TaO!-Produktion zumindest plakativ hervor. Oscar Wildes „Das Bildnis des Dorian Gray“ ist nur Bezugsfläche, dient als Sprungbrett, um das Gespräch der eineiigen Schwestern in unerwartet Hohes, Tiefes, Persönliches zu katapultieren. Sie sprechen über ihre eigene Angst, die Schwester könnte besser oder schöner sein. Sie schlüpfen in die Rollen von Dorian Gray und Sibyl Vane. Personifizieren Schönheit und Hässlichkeit. Bekämpfen sich auf Leben und Tod. Eine durchgängige Erzählung tritt dabei nicht zu tage. Eine Botschaft aber sehr wohl: Dass eine Flucht vor der Hässlichkeit nicht gelingen kann. Entweder äußerlich oder innerlich bahnt sie sich ihren Weg an die Oberfläche. Und das Dank Steffi Jöris (Choreografie), Edi Haberl (Visuals) und Georg Klüver-Pfandtner (Maskencoach) auf eindrucksvolle Art. Denn in dieser Produktion von Verena Kiegerl wählte das Team zu Recht den Untertitel „Pictures of Beauty“ und ermöglicht einen Schnelldurchlauf durch heutige Präsentationsformen von Schönheit: Catwalk, Tanz mit dem Schminktisch, maskuline Bewegungsmuster, ein YouTube-Schmink-Tutorial, grotesk übertriebenes Make-up, alternde Fotos. All diese Bilder besitzen tiefe Eindringlichkeit und verankern sich machtvoll in der Erinnerung der Besucher. Die geringe Länge des Stückes und die wirkungsvollen Licht- und Ton-Effekte tragen wesentlich zu einem kurzweiligen, doch zum Reflektieren anregenden Abend bei. Zu sehen ist „Dorian Gray – Pictures of Beauty nach Oscar Wilde“ erneut im Jänner. Nähere Informationen finden Sie hier.