Mit dem Stück „#nakedscarlett“ zeigt das Theater am Ortweinplatz derzeit, wie fragil junge Mädchen-Freundschaften sein können. Die Texte stammen von Evan Placey.
Seit dem Kindergarten sind sie unzertrennlich, schon immer beste Freundinnen. In der Schulzeit besuchen sie gemeinsame eine Klasse. Sie sind ein Team. Ist das nicht schön? Du bist nie allein, bist nie auf dich selbst angewiesen, deine besten Freundinnen stehen dir immer zur Seite. Bis zu dem Punkt, an dem ein Nacktfoto von einem der Mädchen auftaucht, nämlich von Scarlett. Statt ihr zu helfen und für sie da zu sein, beginnt der Rest der Gruppe, sich von ihr zu distanzieren. Weil: Solche Sachen werfen nur ein schlechtes Licht auf die anderen. Die macht Probleme. Die anderen sind brav und schlau und wissen, wie man sich verhält. Die würden das doch nie tun. Und es beginnt ein Teufelskreis, denn das Foto wird nicht gelöscht, sondern weitergeleitet. Und aus Freunden werden Feinde, vor denen du niemals sicher bist. Nicht einmal in deiner neuen Schule.
Die Bühne des Theaters ist fast leer, nur acht Mädchen (Jana Czernovsky, Vanessa Defant, Sandra Hart, Amina Knam, Laura Kerschbaumsteiner, Johanna Schwaiger, Felicitas Wasner, Lilli Wüntscher) stehen vor acht Mikrofonen darauf. Der Hintergrund wird von einer Leinwand durchzogen, auf der unterschiedliche Fotos der Mädchen aufflackern. Es sind Gruppenfotos, Porträts, Erinnerungen. Die Mädchen sind alle gleich angezogen, weiße Bluse, helle Shorts, weiße Socken – ein klares Zeichen ihrer Zusammengehörigkeit. Denn ihre Worte, ihre Taten zeigen, dass sie zusammen gehören. Nur Scarlett gehört nicht mehr dazu, denn durch ihr Nacktfoto hat sie sich ins Aus geschossen. Während die anderen zu hassen beginnen, taucht die eigentliche Hauptdarstellerin eigentlich nie auf, sondern wird abwechselnd von einem der Mädchen gesprochen. Vielleicht, weil in jedem der acht Freundinnen eine kleine Scarlett steckt. Denn hinter ihrer guten Erziehung und ihrer Bildung hätte es jedem der Freundinnen passieren können. Weil solche Sachen wie Nacktfotos und Co. zwar nicht schlau sind, aber eben zur Pubertät gehören. Nur nicht zur Pubertät der anderen, wie die Darstellerinnen in einer wirklich guten Performance zeigen, vor allem wenn man weiß, dass die Rollen hauptsächlich online erarbeitet wurden. Am Ende des Stückes verspürt man als Zuseher sogar eine leichte Abneigung gegenüber den Schauspielerinnen, ein Zeichen für die gute Leistung. Man verspürt aber auch etwas Verständnis, denn hin und wieder bröckelt die Fassade eines Mädchens und statt Hass und Missgunst kommt eine Freundin zum Vorschein, die sich doch Sorgen um Scarlett macht. Doch der Gruppenzwang fordert Wut. Also bleibt die Wut.
Mit „#nakedscarlett“ beleuchtet das Theater am Ortweinplatz (TaO!) nicht nur die Abgründe von Mädchen-Freundschaften, sondern auch patriarchale Züge, die bis heute unsere Gesellschaft dominieren. Als beispielweise das Nacktfoto eines beliebten Jungen von der Schule auftaucht, bekommt dieser keinen Hass zu spüren, sondern Bewunderung. Sein Körper schaut doch gut aus, nur Scarlett ist hässlich. Und als das Thema Sex aufkommt, wird auch hier auf alte Muster gesetzt. Männer, die mit vielen Frauen schlafen, sind quasi Könige. Die dürfen das. Mädchen hingegen sind Schlampen. Weil diese Meinung sogar unter besten Freundinnen kursiert, zeigt sich das fragile Band junger Mädchenfreundschaften. Gleichzeitig wird aber auch der Neid sichtbar, der viele Freundschaften dominiert. Wer ist dünner? Wer hat größere Brüste? Wer hat mehr Typen? Ein großes Problem, dem vor allem junge Mädchen ausgesetzt sind, die in einer Gesellschaft aufwachsen, die darauf aufbaut, dass man sich vergleicht und konkurriert. Ein empfehlenswertes Stück für Eltern sowie Jugendliche!
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