Am 08. November konzertierte im Musikverein für Steiermark das schon oft dort aufgetretene Emerson String Quartet, und bot mit einem teils dramatisch wohl durchdachten Programm (Henry Purcell – Benjamin Britten – Robert Schumann) Einblicke in die Musik von drei verschiedenen Jahrhunderten. Zusätzlich war ein Novum für diesen Abend angesetzt: Ein „Klassischer Aperitif“, der durch das Posaunenensemble der Kunstuniversität Graz bestritten wurde, beinhaltete sowohl stimmungsvolle Klänge, als auch die hohen Fähigkeiten der zukünftigen Berufsmusiker.
Möglicherweise benötigt diese Tatsache keiner Erwähnung mehr, aber der Musikverein für Steiermark wurde in Verbindung mit der Institution des heutigen Johann-Josef-Fux Konservatoriums gegründet, und stand somit in direktester Verbindung mit der Ausbildung zukünftiger Musiker und Musikerinnen. Diesem Erbe wurde sicherlich mit der Einführung eines „Klassischen Aperitifs“, was grundsätzlich ein kurzes Konzert vor dem eigentlichen Konzert bildet, Anerkennung gezollt. Das Posaunenensemble der Kunstuniversität Graz trat mit zukünftigen Berufsmusikern auf, und präsentierte sich mit Kompositionen frühbarocker Instrumentalmusik (Giovanni Gabrieli: „Canzoni primi toni“), sowie Auszügen zweier verschiedener Epochen des Musiktheaters (Claudio Monteverdi: Sinfonia und Chor der Geister aus „L’Orfeo“ – Engelbert Humperdinck: „Abendsegen“ aus „Hänsel und Gretel“). Gerade die Werke Gabrielis und Monteverdis waren in ihrer Ausführung voll von barockem Impetus und Esprit. Die einzige Auffälligkeit war, dass die mehrchörig gestalteten Phrasen viel von ihrer intendierten Wirkung einbüßten, was aber eher der Aufstellung der Musiker und der Akustik des Stefaniensaals zu verdanken war. Humperdincks „Abendsegen“ war ganz von der klanglichen Fülle und der dichten Melodieführung der für die Romantik obligatorischen Klangästhetik durchdrungen. Gelegentlich nur hörte man einige Probleme der Instrumentalisten, ihre Phrasen aufrecht zu erhalten, was insofern verständlich ist, da ein Arrangement eines Werkes, das eigentlich ein großes Orchester verlangt, in einer solchen Reduktion gewisse performative Schwierigkeiten mit sich bringt.
Der Auftritt des Emerson String Quartet (Eugene Drucker / Philip Setzer: Violine – Lawrence Dutton: Viola – Paul Watkins: Violoncello) war auf jeden Fall durch dessen dramatische Konzeption von Interesse: Henry Purcell mit der Chaconne in g-Moll und den Fantasien in d-Moll und G-Dur wurde das 2. Streichquartett in C-Dur von Benjamin Britten entgegengestellt, was insofern gut durchdacht ist, da Britten zeitlebens äußerst genau die alte Musik Englands studiert hatte. So ist es sicherlich auch nicht zufällig, dass diese Konzerthälfte mit einer Chaconne beginnt und mit einer Chaconne – der letzte Satz von Brittens Streichquartetts trägt die Bezeichnung „Chacony“ – sozusagen endet. In der Ausführung der Werke Purcells ist sicherlich die detaillierte Ausarbeitung der verschiedenen Formteile erwähnenswert, ebenso wie die feinen Phrasierungen bzw. der musikalische Duktus, den man jedem Abschnitt abhören konnte. Brittens Streichquartett hatte dieselben Qualitäten, wobei hier nicht nur die meisterhaft gestaltete klangliche Transgression ins 20. Jahrhundert hinzuzufügen wäre, sondern auch noch die Ausarbeitung der Differenziertheit der dem Werk innewohnenden Abschnitte. Gerade der erste Satz, den man aufgrund seiner pluralistischen Architektur beinahe schon als „Potpourri“ bezeichnen möchte, war von der eben erwähnten interpretatorischen Diversität getragen und durchdrungen, und wurde somit dem Publikum gut vermittelt.
In der zweiten Konzerthälfte wurde das Streichquartett Nr. 3 in A-Dur, op. 41/3 von Robert Schumann vorgetragen. Es war wie die anderen Werke von Klarheit in der formalen Ausdeutung und einem feinen Gefühl für kammermusikalische Klanglichkeit geprägt. Der einzige Aspekt, der anzumerken wäre, ist der Umstand, dass für die Hörer wohl der größere Teil der Aufmerksamkeit für die Ausgedehnten melodischen Flächen Brittens absorbiert wurde. Im Vergleich zu Brittens Streichquartett wirkte im Kontext des Abends das Werk Schumanns eher wie ein Appendix. Obwohl das letzte Werk in der Interpretation den anderen Kompositionen nirgends nachstand, lag es dennoch irgendwie außerhalb der zuvor erwähnten Dramatik der ersten Konzerthälfte.
Foto: Emerson String Quartett © Lisa Marie Mazzucco