Schrei(en) für die Kunst

Wer sich für die Geschichte der steirischen Künstlervereinigungen und die Geschichten, die diese in ihren Kunstwerken erzählen, interessiert, der darf den diesjährigen Ausstellungsreigen des Künstlerhauses – Halle für Kunst und Medien keinesfalls versäumen. Seit vergangenen Dienstag, dem 15.Dezember 2015, steht nun der Künstlerbund GRAZ im Blickpunkt, der sich während der Ausstellungseröffnung nicht nur durch die Kunstwerke Gehör verschaffte.

Ein Schrei lautet der Titel der Ausstellung und das Thema, dem sich die Künstler*innen des Künstlerbundes zum 90-jährigem Jubiläum demnach verschrie(b)en. Bei der gut besuchten Eröffnung waren nicht nur die Kunstwerke präsent, sondern auch die Künstler*innen selbst anwesend. Die Begrüßung der ebenfalls anwesenden Kulturstadträtin Lisa Rücker untermalten sie mit einem lautstarken Schrei.

Der Künstlerbund GRAZ: zwischen Tradition und Offenheit

In einer kurzweiligen Rede veranschaulichte der aktuelle Präsident des Künstlerbundes Michael Birnstingl den Besucher*innen die wichtigsten Meilensteine des Künstlerbundes seit seiner Gründung im Jahr 1924 durch 14 rebellische Künstler*innen. Bedeutend sei heute als auch in früheren Zeiten die Symbiose zwischen Tradition und Offenheit – gegenüber den unterschiedlichen Stilrichtungen als auch (neuen) Künstler*innen. So setzt sich der Künstlerbund etwa für die Förderung der Jugend ein. Ein gemeinsamer Schrei der Mitglieder setzte der Rede einen markanten Schlusspunkt.

In der Apsis des Künstlerhauses konnte jede*r, dessen Interesse geweckt war, weiter durch die Geschichte(n) des Künstlerbundes schmökern. In Fotoalben, die mit Bildern, gesammelte Zeitungsberichten und Reden gefüllt sind, kann ein Blick in vergangene Jubiläen des Künstlerbundes und die jeweiligen zeitgeschichtlichen Tendenzen geworfen werden.

(c) Julia Wurzinger

50 Jahre Künstlerbund (c) Julia Wurzinger

Die Ausstellung: zwischen Kontinuität und Aktualität

Ausgangspunkt der Ausstellung ist das Werk der Künstlerin Renate Fast, das sich auch im Mittelpunkt des Raumes befindet. Es handelt sich um ein beeindruckendes in schwarz-weiß-gehaltenes Kunstwerk, das bereits 2010 entstand, aber eine aktuell sehr dominante Begrenzung des Menschen – der menschlichen Freiheit auf der einen, der menschlichen Toleranz auf der anderen Seite – im Blickpunkt hat: den Zaun.

(c) KM Künstlerhaus

Renate Fast: Ein Schrei (c) KM Künstlerhaus

Zugleich wird durch die Wahl des Themas und des Kunstwerkes von Renate Fast auch eine Kontinuität zur Geschichte des Künstlerbundes selbst hergestellt: In den Gründerzeiten des Künstlerbundes war dieser Verfolgungen – etwa aufgrund des Vorwurfes der ‚entarteten‘ Kunst – ausgesetzt. Auch Renate Fasts Biographie ist damit verknüpft: als Künstlerin mit Down-Syndrom ist es ihr in unserer heutigen Gesellschaft möglich, künstlerisch tätig zu sein – eine Erinnerung daran, dass etwas, was selbstverständlich sein sollte, auch bei uns noch nicht lange möglich ist.

Zusätzlich wird auch an die Geschichte der Kunst an sich angeknüpft, stellt doch der Schrei einen Topos dar, der sich kontinuierlich durch die Epochen zieht. Am stärksten ist der Topos wohl durch Edvard Munchs Bearbeitung in Der Schrei im kollektiven Gedächtnis verankert.

Aktuell sind die Kunstwerke hingegen zum einen durch ihre Herstellung: sie wurden größtenteils extra für die Jubiläumsausstellung konzipiert. Zum anderen sind die Kunstwerke auch inhaltlich brandaktuell: Viele der Werke schreien auf, schreien die Besucher*innen an, verstören, betören, werfen Fragen auf und lassen sprachlos zurück – Themen, wie die Ausbeutung des Planeten durch die Menschen, der aktuelle Umgang mit flüchtenden Menschen, Formen von Gewalt werden thematisiert und in unterschiedliche künstlerische Formen gegossen. Im Folgenden nur zwei Beispiele, um dies bildlich zu veranschaulichen:

Marianne Hasenöhrl-Obsieger: Stop FGM (c) Julia Wurzinger

Marianne Hasenöhrl-Obsieger: Stop FGM (c) Julia Wurzinger

Peter Petrovic: Als Gaia schrie (c) Julia Wurzinger

Peter Petrovic: Als Gaia schrie (c) Julia Wurzinger

 

Zum großen Teil beschäftigen sich die Werke mit krisenhaften Momenten des Schreiens – egal ob individueller oder kollektiver Natur -, seltener finden sich hingegen optimistischere Sichtweisen auf das Thema, wie etwa Chesi-Lackners Befreiuungschrei.

Helgard Chesi-Lackner: Befreiuungsschrei (c) Julia Wurzinger

Helgard Chesi-Lackner: Befreiuungsschrei (c) Julia Wurzinger

Wenn diese Ausstellung eines verdeutlicht, dann, dass nicht nur die Kunst unsere Schreie ausdrücken kann, sondern dass die Kunst selbst auch Menschen braucht, die bereit sind, für sie zu schreien.

 

Weitere Informationen

Die Ausstellung des Künsterbundes GRAZ ist noch bis zum 03. Jänner 2016 bestaunbar. Danach folgt der dritte – und letzte – Teil des Ausstellungsreigen mit den Werken der Vereinigung Bildender Künstler Steiermarks.

Weitere Eindrücke und Fotos von der Ausstellungseröffnung finden sich etwa auf dem Blog von Miss Classy.

Aktuelle Informationen über die (zukünftigen) Veranstaltungen des Künstlerbundes GRAZ finden sich auch auf dessen FB-Seite.