Julia Gräfner als Mose (c) Lupi Spuma

Im Höllentempo durch das Alte Testament

Das Projekt „Altes Testament – Aus dem Tagebuch der Menschheit“ von Volker Hesse beendet die unter dem Themenkreis „Religion“ stehende Spielzeit 2017/18 am Haus eins. Eine Inszenierung, so monumental wie die Epen aus ihrer Textvorlage, aber nicht gerade provokant.

Tiefstapeln ist nichts für das Schauspielhaus und Regisseur Volker Hesse. Als Abschluss für die Spielzeit unter dem Motto „Religion“ haben sie sich nichts Geringerem angenommen als dem wahrscheinlich monumentalsten Text der Menschheitsgeschichte: dem Alten Testament. Auf ihm fußen die Religionen von Abermillionen Menschen und die Kulturgeschichte der halben Weltkugel. Kann man dem überhaupt gerecht werden?

Regisseur Hesse und Dramaturgin Karla Mäder haben sich zwei Jahre lang mit dem Stoff auseinandergesetzt, zwölf Schauspieler in jeweils bis zu fünf Rollen gesteckt, fünf Musiker (Markus Sepperer, Ivan Trenev, Dominic Pessl, Rafał Zalech und Reinhard Zeigerhofer; Komposition und Leitung: Bojan Vuletić) engagiert, eine Videofirma (rocafilm) beauftragt und das Haus eins zum einheitlichen Bühnenraum umgebaut (Bühne und Kostüme: Stephan Mannteuffel), der über drei Stunden lang bespielt wird. Das Rückgrat, auf dem diese Inszenierung lastet, ist das Ensemble: Gerhard Balluch gibt einen genialen Abraham, das dynamische Duo Pascal Goffin/Benedikt Greiner kämpft als Kain und Abel über den Köpfen des Publikums, Florian Köhler erzeugt als Esau mit seinem Mund die wunderlichsten Geräusche und avanciert im zweiten Akt zum Sänger und Gitarristen.

767bba16-f408-4655-b8b0-84575a7e7164

Bühne und Zuschauerraum verschmelzen zu einem. (c) Lupi Spuma (3)

 

Was dabei herauskommt? Ein Spektakel, das sich anekdotisch mit Höllentempo durch das Alte Testament kämpft. Fast so, als würde man auf einer Autobahn daran vorbeirasen. Die gepolsterten Sessel bleiben dem Publikum diesmal verwehrt – zuerst heißt es stehen, später dienen Papphocker als Sitzgelegenheiten. Belohnt wird man dafür mit atmosphärischen Momenten, in denen eine Zusammenkunft von Spielenden und Bespielten spürbar wird. Zum Beispiel wenn die Drehbühne zur Arche wird und der Sintflut-Regen von oben auf das Publikum prasselt (Entwarnung: Man bleibt trotzdem trocken). Oder am Ende des ersten Aktes, wenn man für die zehrenden mehr als zwei Stunden mit großartiger Musik, Wein oder Wasser und Brot belohnt wird.

8c95370c-a0d5-420b-ad86-ae66366ec74b

 

Spektakulär inszeniert, ja, aber schafft es Hesse, das Alte Testament ins Jetzt zu katapultieren? Irgendwo zwischen allzu plakativem Gegenwartsbezug und konservativem Erzählen bleibt die Inszenierung stecken. Nicht selten schellen die Sexismus-Alarmglocken im Kopf: Der „Mensch“ soll der „Herr“ des „Weibes“ sein, unzählige Söhne, aber keine Töchter werden geboren und so weiter. Um diesen Motiven zu entgegnen reicht es leider nicht, Maximiliane Haß zum Isaak, Mercy Dorcas Otieno zum Pharao und Julia Gräfner zum bärtigen, stotternden Mose zu machen. Die körperbetonte Tanzperformance zum Anfang des zweiten Aktes ist zwar schön anzusehen und sprudelt vor Energie – den Zweck der Provokation verfehlt sie aber. So wie die Projektionen auf den weißen Segeln rund um den Bühnenraum, die das Stück mit aktuellen Nahost-Bezügen vollstopfen. Löblich jedoch ist, dass Hesse nicht in die religiös-belehrende Schiene fällt, sondern das Alte Testament als Epensammlung über die Grundprobleme des Menschseins behandelt.

Weitere Termine und Infos

Der Horror unter dem eigenen Dach

In „Bernarda Albas Haus“ erzählt der spanische Revolutionär Federico García Lorcas (1898-1936) von einem autoritären Regime im Mikrokosmos einer Familie. Regisseur Thomas Schulte-Michels präsentiert die „Frauentragödie in spanischen Dörfern“ mit einem bestens eingespielten Ensemble am Haus Eins des Schauspielhaus Graz.

Bernarda Albas (Christiane Roßbach) zweiter Ehemann ist verstorben. Das bedeutet für sie, ihre fünf Töchter, die Magd und die Großmutter eine acht Jahre lange Trauerzeit in vollkommener häuslicher Isolation. Bernarda beugt sich nicht nur dem katholizistisch-konservativen Machtsystem im Spanien der 30er-Jahre, sondern wird selbst zur größten Erhalterin dessen und erschafft ein Terror-Regime in ihren vier Wänden, indem sie nach außen hin die Verbindungen kappt und innen Zwietracht sät. Unterstützt wird sie dabei von der unterwürfigen Magd La Poncia, in deren Rolle Julia Gräfner einmal mehr begeistert.

Die Opfer dieser Diktatur sind keine geringeren als Bernardas eigene Töchter. Nur Opfer werden diese jedoch nicht bleiben: Jede der jungen Frauen sucht einen individuellen Weg aus dem häuslichen Gefängnis. Der Ältesten, Angustias (Nanette Waidmann), eröffnet ihr beträchtliches Erbe eine Ehe mit Pepe el Romano, einem Mann aus dem Dorf. Das würde für sie den Ausweg bedeuten, doch auch ihre Schwestern Adela (Maximiliane Haß) und Martirio (Henriette Blumenau) hegen Gefühle für ihn. Die Magd kündigt das Unheil frühzeitig an, doch die Mutter hält ihre Augen fest geschlossen. Getrieben von Neid und Kontrollsucht werden die Frauen zu ihren eigenen größten Feindinnen und richten sich schließlich gegenseitig.

e5f9fee8-9264-4135-bde7-ef395f9bd5fe

(c) Lupi Spuma (2)

 

Im kargen Raum der schwarzen, runden Bühne (Robert Schweer), gepaart mit dunklen Kostümen und beklemmender Musik, liegt mächtig Spannung in der Luft. Das einzige in diesen kurzweiligen 80 Minuten, das Fragen offen lässt, ist Gerhard Balluch als verstörte Großmutter, die ab und an mal, scheinbar ohne rechten Grund, im alten Brautkleid und mit viel zu viel Rouge auf den Wangen auftaucht. Das Ensemble zeigt auf der Bühne eine einwandfreie Zusammenarbeit, gleichzeitig hat jede Schauspielerin auch große persönliche  Momente. So soll es, wie uns dieses Stück in Zeiten von #metoo und Co. zeigt, nicht bloß auf der Bühne sein: Nur mit gegenseitiger Unterstützung und Solidarität kann ein restriktives System zu Fall gebracht werden. Hingehen, ansehen, dazulernen, genießen!

„Bernarda Albas Haus“ ist noch bis 27. März im Haus Eins des Schauspielhaus Graz zu sehen.

Es weihnachtet sehr in der Oper

Passend zum vierten Adventwochenende fand am Samstag, dem 19.Dezember 2015, die jährliche Adventsveranstaltung in der Oper Graz statt. Der Advent in der Oper beschäftigte unter der musikalischen Leitung von Marius Bukert beschäftigte sich diesmal mit Klassisch-Romantischem aus der Steiermark.

In einem vollen Opernhaus erwartete die Besucher*innen eine weihnachtliche Kulisse, die auf die nachfolgende Veranstaltung einstimmte: zwei geschmückte Christbäume standen links und rechts der Bühne und auf einer Leinwand wurden stimmungsvolle Weihnachtsbilder eingeblendet. Nach Anfang des Konzertes war es jedoch ohnehin nicht möglich, der Bühnendekoration Aufmerksamkeit zu schenken, weil die Darbietungen auf der Bühne alles andere in den Hintergrund verschwinden ließen.

Folder zum Adventskonzert (c) Oper Graz

Folder zum Adventskonzert (c) Oper Graz

In einer kurzweiligen Mischung aus orchestralen, gesanglichen und textlichen Beiträgen wurde eine weihnachtliche Atmosphäre in der Oper entfesselt. Als Einstimmung spielte das Grazer Philharmonische Orchester auf mit einer Version von Leroy Andersons Klassikers Sleigh Ride. Danach betrat die aus vier Musiker*innen zusammengesetzte Gruppe Spafudla die Bühne, deren progressive Volksmusik eine großartige Symbiose mit dem Orchester ergab. Das auch auf der Veranstaltung gespielte A Christmas Tale ist auch unter diesem Link zu hören.

Spafudla (c) Katrin Kreiner

Spafudla (c) Katrin Kreiner

Gerhard Balluch gestaltete den textlichen Teil des Abends und entführte die Besucher*innen in die Weihnachtswelt der Waldheimat von Peter Rosegger, danach folgten Gedichte von Max von Schenkendorf, Bertolt Brecht und Ernst Wiechert – wodurch eine differenzierte und breitgefächerte literarische Sicht auf die Adventszeit gewährt wurde. Highlights des Abends waren sicher die Auftritte von Sieglinde Feldhofer (Sopranistin) und der Nachwuchssänger*innen der Singschul‘ der Oper Graz unter der Leitung von Andrea Fournier, wobei vor allem der Knabensopran von Mathias Psilinakis hervorzuheben ist.

Zum krönenden Abschluss des Abends durften sich auch die Besucher*innen nicht nur durch Klatschen, sondern auch stimmlich verausgaben: die traditionellen Lieder Es ist ein Ros entsprungen und der Andachtsjodler wurden von Publikum und Chor gemeinsam gesungen. Was somit auch jede*n Besucher*in zur Aussage ‚Ich hab‘ schon mal in der Grazer Oper gesungen…‘ berechtigt. Das Rahmenprogramm – Weihnachtsschmuckbasteln, weitere Weihnachtsgeschichten von Gerhard Balluch, Lebkuchen-Verzieren – um das Konzert rundete den Abend ab. Insgesamt ein vergnüglicher Nachmittag um sich vor der Kulisse der Oper vom alltäglichen Weihnachtsstress abzulenken und in sich von einer adventlichen Stimmung einschneien zu lassen.